Wenn die Angst Dich lähmt – was kannst Du tun?

Erstarrung vor Angst - Polyvagaltheorie Selbsthilfe Selbstcoaching
Foto: Yoko Correia Nishimiya - unsplash.com

Angst ist eine normale (menschliche) Erfahrung, die uns und unsere Vorfahren über den langen Weg der Weg hierher gebracht hat.

 

Also hat Angst ohne Zweifel etwas Gutes und gar Lebenswichtiges.

 

Noch heute tragen wir in unserem Hirnstamm, der „untersten Etage“ im Gehirnaufzug, das „Reptiliengehirn“. Dort werden die aller wichtigsten Entscheidungen zum Überleben getroffen.

 

Bestimmt kennst Du aus der Natur die Fälle, in denen kämpfen wichtig ist (wenn Du stärker bist als Dein Gegenüber), in denen Flucht besser ist (wenn Du hoffentlich schneller bist) oder wann ein „Totstellreflex“ die beste Strategie ist (Dein Beutegreifer nimmt Dich nur wahr, wenn Du Dich bewegst).

 

Oft finden sich im heutigen Alltag Situationen, in denen diese Deine „basic instincts“ getriggert werden. Da reicht es schon, wenn Dir jemand nach längerer Suche einen Parkplatz vor der Nase wegschnappt, wenn Du auf dem Weg zu einem dringenden Termin im Stau stehst oder wenn Dich Kund:innen oder Kolleg:innen so ansprechen (-schreien) dass Du „einfrierst“ und die Sprache verlierst.

 

Besonders leidest Du vielleicht unter so einer Situation, wenn sie immer mal wieder vorkommt und wenn Du sie mit etwas Abstand eigentlich unsinnig findest – Du warst ja da nicht in tatsächlicher Lebensgefahr. Die Reaktion war, rational betrachtet, einfach „too much“. Manchmal verurteilst Du dich dafür vielleicht sogar.

 

Ein bisschen mehr Neurobiologie dazu: Je nachdem, was dran ist, wird der Körper mit Hilfe des autonomen Nervensystems sehr schnell in den passenden Zustand gebracht. Vereinfacht: Alle Power in die Beine oder alles in die Arme oder vollständiger Shutdown.

 

Von den zwölf Hirnnerven, die mit unserem Körper verbunden sind, ist der zehnte der längste und am meisten verästelte, der den Hirnstamm mit allen wichtigen Körperfunktionen verbindet. Er heißt: Vagusnerv.

 

Stephen Porges, ein amerikanischer Neurowissenschaftler hat das Thema gründlich erforscht und die Polyvagaltheorie entwickelt. Er fand heraus, das der Vagusnerv in einen vorderen und einen hinteren Teil aufgeteilt ist. Den vorderen Teil gibt es nur bei Säugetieren und er schaltet etwas schneller als der hintere Teil, mit dem Reptilien auskommen müssen.

 

Porges fand heraus, dass der vordere Zweig (ventraler Vagus) in Zuständen sicherer, sozialer Interaktion aktiviert war und vermutete, dass dies für die Säugetiere überlebenswichtig war, um ihren hilflosen, abhängigen Nachwuchs zu versorgen. Von diesem Zustand aus wird der Körper über einen weiteren Teil des autonomen Nervensystems - Sympathikus und Parasympathikus - gesteuert.

 

Wenn körperliche Aktivierung nötig ist, vom Sport bis zum Sex, wird der Sympathikus gebraucht bis hinter den Punkt, an dem „aus Spass Ernst wird“ und Kampf oder Flucht nötig werden.

 

Erst darüber hinaus, wenn das alles nichts mehr nutzt, wird der Parasympathikus aktiviert und fährt mit Hilfe des hinteren Vaguszweigs (dorsaler Vagus) den Körper schnell herunter.

 

Besonders spannend finde ich, dass schon bei normaler „Büroarbeit“ unserem Körper eine permanente Gefahrensituation vorgegaukelt wird. Wir arbeiten sehr viel im Kopf, sind gestresst, weil gleichzeitig viel und pünktlich zu tun ist und können uns dabei nicht so bewegen, wie unser Körper das gerne hätte. Irgendein Teil im Körper denkt: „Oha, da muss ein Beutegreifer vor uns sitzen – viel Stress, keine Fluchtmöglichkeit“.

 

Dazu kommt dann noch ein nerviger Kunde am Telefon oder eine gestresste Chefin, oder ein Systemabsturz „Computer sagt neeeein“. Weil uns das alles ermüdet, wir dem normalen Biorhythmus nicht vollständig folgen können (Powernap? Im Büro??), schütten wir irgendwann immer größere Mengen Kaffee in uns rein und erhöhen damit die Erregung des Körpers nur noch weiter.

 

Es braucht wohl nicht viel Erklärung, dass Nikotin noch einen Stress oben drauf packt. Und auch das abendliche Schlafgetränk, um wieder runterzukommen – die Wirkung des Koffeins ist ja noch nicht ganz aufgebraucht – zerstört die erholsame Wirkung des Schlafs.

 

Je höher Dein Dauerstress ist, desto höher ist Dein Cortisolspiegel im Blut und das führt dazu, dass Du immer öfter müde, erschöpft oder schnell überfordert bist. Auch in kleineren Konflikten erscheint Dir Dein Gegenüber wie der Beutegreifer. Du erstarrst und kannst nicht einmal mehr „Stopp“ sagen.

 

Vielleicht merkst Du auch, dass der lang ersehnte Urlaub, von dem Du Dir Erholung erhofft hast, in seiner Wirkung eher wieder schnell verpufft. Du musst vor dem Urlaub mit viel Anstrengung Deine Abwesenheit vorbereiten. Entweder durch Übergabe dringender Dinge oder Zurechtlegen der Aufgaben, die nach dem Urlaub wieder dran sind. Die Anreise an den Urlaubsort ist vielleicht belastend, Klima- oder Zeitzone eine weitere Anforderung, und bei der Rückreise geht in Stau oder Airport-Rush auch schon wieder einiges an Entspannung flöten. Schließlich kommst Du im Büro wieder an, warst eine Weile nicht da und die Dinge sind nicht ganz so, wie Du sie erwartet hast.

 

Also, wie ist der „Way out“?

 

Wenn Du die zuvor genannten Zusammenhänge einigermaßen verstanden hast, ist schon ein guter Pflasterstein auf Deinem neuen Weg gelegt.

 

Das wichtigste ist, dass Du zuerst in die Entspannung gehst.

 

Es wird verschiedenen Meistern zugeschrieben, dass es heißt: „Meditiere täglich 30 Minuten. Und wenn Du keine Zeit hast, meditiere 60 Minuten“. Realistischerweise ist das ein Zielbild, das einige Übung braucht.

 

Für den Anfang reicht es, wenn Du erst mal herausfindest, wie lange Du überhaupt ruhig sitzen kannst ohne nervös zu werden, bevor du Dich in immer längeren Zeiträumen mit Deiner Unruhe und deren Akzeptanz und dem Loslassen beschäftigst.

 

Setz Dich zunächst für 1 – 3 Minuten hin, schließ die Augen und atme tief in den Bauch, mit immer längerem Ausatmen. Am besten mehrmals täglich während der Arbeit.

 

Darauf aufbauend kannst Du für Dich aus vielen Möglichkeiten die passende Kombination auswählen, um wieder in den „ventralen Vagus“ Zustand zu kommen.

 

Wichtig ist, dass Du dieses Trainingsprogramm immer und immer wieder übst. Du trainierst Dir eine neue Angewohnheit an und Dein Körper ist dabei extrem effizient. Erst wenn er merkt, dass Du es wirklich ernst meinst, weil Du es wiederholst, baut der Körper dazu die Kapazitäten auf.

 

Letztlich kannst Du so viel Entspannungspotential aufbauen, dass Du vielleicht nicht einmal mehr einen Urlaub brauchst oder diesen zumindest ganz anders und besser genießen kannst.

 

Meld Dich gern bei mir, wenn Du mit mir zusammen Dein persönliches Trainigsprogramm erarbeiten möchtest und Dir vielleicht sogar eine längere Begleitung à la „Personal Trainer“ wünscht.

 

Gern bin ich als erfahrener Angstlotse für Dich da – Du behältst das Ruder in der Hand.

 

Alles Gute auf Deinem Weg aus der Angst-Lähmung

 

Dein Angstlotse

Mario Hauff

kontakt@angstlotse.de

Tel 01523 824 5200