In Maria Steinbergs wunderbarem Blog habe ich einen Artikel zu Oliver Kahn und der Angst gefunden: Externer Link
Dazu habe ich folgende Haltung: Ja, es gibt Menschen die aus Angst Energie beziehen.
Es ist mir wichtig, an dieser Stelle zwischen Angst als Gefühl und Angstreaktion zu unterscheiden.
In Marias Artikel ist es schon sehr gut beschrieben. Die Angstreaktion bei einem wirklich lebensbedrohlichen Ereignis, wie dem Angriff eines Raubtieres, aktiviert unser "Reptilienhirn" im Hirnstamm. Die Minimalreflexe Flucht, Erstarrung oder Angriff haben uns als Lebewesen über die letzten Jahrmillionen gerettet.
Angst als Gefühl bleibt das unangenehme Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren könnte.
Während die Angstreaktion also nachweislich lebenserhaltend war und ist, ist die Angst nicht wirklich nützlich.
Wenn Oliver Kahn nun also behauptet, dass Angst (Zitat: "Angst vor Versagen") für seine Topleistung mit verantwortlich war, kann ich das soweit nachvollziehen, als dass ich weiss, dass das Adrenalin, das der Körper unter diesem extremen Stress ausschüttet, viel Energie mobilisieren kann. Als früherer Fallschirmspringer weiss ich ausserdem, wie reizvoll die bewusste Ausschüttung des Adrenalins ist, wenn ich aus dem Flugzeug springe. Die entstehende Euphorie nach einem gelungenen Fallschirmsprung - bei mir waren es über 1200 - ist unbeschreiblich.
Trotz allem ist Oliver Kahn nun für mich nicht das Beispiel eines glücklichen, zufriedenen und damit nachhaltig erfolgreichen Menschen. Ich habe ihn immer als sehr archaisch, als Kämpfer, und als eher cholerischen Menschen wahrgenommen. Sicherlich war er aber zeitweise ein erfolgreicher Torwart.
Menschen, die angstgetrieben (scheinbar) erfolgreich waren, sind mir öfter in meinem Berufsleben in Führungspositionen begegnet. Das waren dann "Angstbeisser" oder Choleriker, die um sich schwache und ängstliche Menschen, "Ja-sager", versammelt und damit Macht ausgeübt haben. In den Köpfen dieser Menschen ist das Leben ein täglicher Überlebenskampf ähnlich wie im Dschungel - ohne den Rhythmus und die natürlichen Kompensationsstrategien des Dschungellebens. Die Folge dessen ist ein permanent hoher Stresspegel, viel Cortisol im Körper, Konsum von Alkohol, Nikotin oder härteren Drogen als Fehlkompensation und daraus entstehend der dann oft als heldenhafter Vorgang glorifizierte Burnout.
Meine Vorbilder sind diese Führungskräfte nicht. Und ich glaube auch, dass sie eine aussterbende Spezies sind. Wirklich erfolgreich sind für mich Menschen, die sich zum Nutzen des Gesamtsystems - gern auch im Sinne des Weltfriedens - so miteinander vernetzen, dass das Team mehr leistet als der Einzelne. Im Grunde wie bei einem Fussballteam. Nur ohne Gegner. Aber als Allianz für "das Gute".
Im Einzelfall mag es mein Leben - auf Kosten eines anderen - retten, wenn ich z.B. aus einer brennenden U-Bahn fliehen muss und dann mehr Energie mobilisieren kann als mein Sitznachbar.
Im Alltagsgeschehen, vor allem im täglichen Arbeitsleben, in dem wir dank gutem Arbeitsschutz wirklich lebensbedrohlichen Situationen so gut wie gar nicht ausgesetzt sind, nutzen uns weder Angst noch archaisches Verhalten. Sie sind für mich weder hilfreich noch sozial verträglich.